Das Geläut

Die Lehrer Frese beschreiben ausführlich und besinnlich in ihrer Chronik (Seite 68-71) die Geschichte des Geläutes in den Wellener Kirchen. Hier soll jedoch noch einmal zusammengefasst werden, was wir über die Geschichte des Geläutes bis heute wissen.

a. Die älteste bekannte Glocke wurde im Jahre 1512 gegossen, also bald nach dem Bau der kleinen Vorgängerkirche. Ihr Gewicht betrug nach Frese 5 ½ Zentner, also 550 Pfund oder 275 kg. Sie wurde in die neue Kirche übernommen und diente dort der Gemeinde noch bis zum Jahre 1926. Dann zersprang sie während eines Totengeläutes. Ihr Material wurde in die dann neu gegossene Glocke eingeschmolzen.

b. Zusammen mit ihr wurde aus der alten Kirche eine zweite Glocke mit höherem Schlagton übernommen. Sie stammte aus der gleichen Zeit, nämlich aus dem Jahre 1515. Sie besaß ein Gewicht von 3 ½ Zentner oder 175 kg.
Dieses Geläut muss der Gemeinde auf die Dauer zu dürftig geklungen haben. Im kleinen, aufgesetzten Türmchen der alten Kirche war vermutlich kein schwereres Geläut möglich gewesen. Aber in dem neuen, hohen und stabilen Turm mag es sich für die Einwohner als zu kümmerlich erwiesen haben. (Der Klang eines Geläutes wird bis heute auch von den Nachbardörfern aus gehört und beurteilt. Hier wollte man einen entsprechenden Eindruck machen.) Darum beschaffte sich die Gemeinde im Jahre 1875 ein Geläut mit tieferem Klang und vollerem Volumen, wofür sie jedoch nur eine neue Glocke zu beschaffen brauchte: Sie entfernte die kleinere Glocke und wies der Größeren deren Aufgabe zu, indem sie eine noch Größere neu anbringen ließ. Das ehemals kleinere Instrument wurde im Jahre 1875 in Zahlung gegeben bzw. sein Material in das neue eingeschmolzen.

c. In dem eben genannten Jahr trat also die neue Glocke hinzu als Ersatz des im vorigen Abschnitt beschriebenen kleinen, alten Instrumentes von 1515. Nach Frese betrug ihr Gewicht 1.265 Pfund, also etwas mehr als 12 ½ Zentner, wie man früher rechnete, oder 632,5 kg. Das Schicksal dieser Glocke ist bei Frese nachzulesen: Sie wurde 1917 „zu Kriegszwecken“ abgeliefert und ging der Gemeinde verloren. Sie konnte ihren Dienst nur 42 Jahre tun, was gemessen am Alter von 422 Jahren ihrer „Kollegin“ nebenan verschwindend wenig ist.

d. Im Jahre 1921, also schon 3 Jahre nach Kriegsende, beschaffte die Gemeinde eine Ersatzglocke aus Gussstahl. Ein Instrument aus Bronze war in jener Notzeit unerschwinglich. Ihr sehr hohes Gewicht, nämlich 23 ½ Zentner oder 1.175 kg, erklärt sich einmal aus der damals gewünschten, noch tieferen Klanglage, zum anderen aus dem Umstand, dass eine Stahlglocke im Verhältnis mehr Material braucht als ein Bronze-Instrument mit dem gleichen Schlagton. Ihr großes Gewicht, ihr verhältnismäßig scharfer Anschlagton und die begrenzte Lebenserwartung von Stahlglocken könnte zu Überlegungen einer Neubeschaffung Anlass geben. - Immerhin tut sie ihren Dienst nun seit bald 80 Jahren.

e. Oben wurde unter Buchstabe a. diejenige Glocke beschrieben, die als ältestes uns bekanntes Instrument seinen Dienst hier getan hat. Sie musste im Jahre 1926 aus dem oben erwähnten Grund eingeschmolzen werden. (In der heutigen Zeit gibt es Verfahren, die damals noch nicht bekannt oder zu teuer waren, um eine zersprungene Glocke zu restaurieren.)
Wieder können wir bei Frese genau nachlesen, unter welchen Umständen die heutige kleinere Glocke hinzugekommen ist. Aber auch dieses Instrument musste, gerade 15 Jahre alt geworden, wieder zu Kriegszwecken abgeliefert werden. Dieses Schicksal traf alle Kirchengemeinden in Deutschland. - Doch unsere Glocke ist zurückgekommen. Darüber ist folgendes bekannt:
Nicht alle Instrumente konnten gleichzeitig dem vorgesehenen Zweck, der Materiallieferung in der Rüstungsindustrie, zugeführt werden. Sie wurden zunächst auf Kreis-Sammelstellen gelagert und dann von einer zentralen Verwaltung abgerufen. Bei Kriegsende 1945 befand sich unsere Glocke, zusammen mit einer einzigen anderen aus dem Kreis, noch auf der Sammelstelle, dem Gelände einer stillgelegten Ziegelei in Bad Wildungen. Wenige Tage nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen holte sie ein Wellener Ackerwagen zurück - vorsichtshalber verborgen unter einer Ladung landwirtschaftlicher Arbeitsgeräte oder Grünzeug.