Die zweite Kirche von 1510.

Das Alter

über die Zerstörung der ältesten Kirche des Dorfes wurde oben berichtet. Es werden die Jahre 1507 und 1510 genannt. Nach diesem Überfall wurde der Neubau der Kirche nötig, und mit Sicherheit wurde sie dabei zugleich vergrößert.[1]

Für eine Entstehungszeit nach 1510 spricht auch das Alter der beiden inzwischen nicht mehr vorhandenen Glocken. Denn nachdem die Kirche neu errichtet war, wurden an Ort und Stelle, so wie damals üblich, die Glocken gegossen, die eine im Jahre 1512, eine zweite im Jahre 1515. Hierüber berichteten ausführlich die Lehrer Eduard und Friedrich Frese in ihrer Chronik auf den Seiten 68 bis 71.

Lage und Aufbau

Diese vermutlich zweite Wellener Kirche aus den Jahren nach 1510 stand in der üblichen West-Ost-Ausrichtung ganz nahe an der Kirchhofsmauer nahe dem heutigen Hause Hecker, Bonifatiusweg 13. Ihr Grundriss wurde im vorigen Kapitel schon beschrieben: Zu einem schmalen Schiff gehörte ein noch schmalerer Chorraum. Die oben zitierte Beschreibung der Kirche durch Varnhagen lautet vollständig: „Sie ist zum Theil von Steinen, zum Theil von Holtz und hat ein aufgesetztes kleines höltzernes Thürmchen, in welchem 2. Klocken hangen. Auch ist eine Stunden-Schlag-Uhr vorhanden“.

Der Chronist Eduard Frese, der im Jahre 1875 als Lehrer nach Wellen kam, muss noch aus Erzählungen der Einwohner geschöpft haben, wenn er berichtet, dass die Kirche aus Holz bestand und baufällig gewesen sei. Nach dieser Beschreibung, die mit derjenigen Varnhagens nicht ganz in Deckung zu bringen ist, bestand jedoch auch der größere Anteil des Bauwerks aus Fachwerk.

Dieses war um die Mitte des 19.Jahrhunderts baufällig. Was das in diesem Falle heißt, ist nicht ganz deutlich. In der Gründungsurkunde heißt es, dass der von der Baubehörde beanstandete Turm vom Dach zunächst abgenommen und andere stützende Maßnahmen ergriffen wurden. Danach hätte die Gemeinde die alte Kirche während des Neubaus weiter benutzen können.[2] Dass die alte Kirche der Gemeinde nicht mehr genug Raum bot - die Gemeinde zählte um diese Zeit über 500 Einwohner gegenüber etwa 350 hundert Jahre zuvor, - wird überhaupt nicht erwähnt, muss aber ein wichtiger Grund gewesen sein, es nicht weiterhin bei einer Instandsetzung zu belassen.

Wir kommen im Kapitel über eine Baurechnung aus dem Jahre 1711 auf dieses Thema zurück.

Das Innere

Wie die Kirche im Inneren ausgesehen hat, können wir nur vermuten. Sie hat jedenfalls eine Empore gehabt, vielleicht sogar auf beiden Längsseiten, die nach altem Brauch den Männern und Burschen vorbehalten war. Diese mussten dann beengt auf schmalen, langen Bänken ohne Lehne sitzen. In der Mitte der Kirche stand mit Sicherheit ein hölzerner Pfeiler, der die Last des Dachreiters mit den beiden Glocken aufnahm.

über die Enge des Raumes gibt ein Papier im Pfarrei-Archiv Auskunft, das aus der Hand des Pfarrers Joh. Henrich Wigand (Wellen 1661-1714) stammt. Es handelt sich um eine Notiz über die Verteilung der Bänke im Kirchenschiff. Diese werden den namentlich aufgeführten Wellener Familien zugewiesen. Nach dem Namensbestand wurde diese Liste in der Zeit um 1700 angelegt.

Damals hatte es wegen der herrschenden Enge offenbar Unzuträglichkeiten gegeben, und man muss einige der noch erhaltenen kleinen Dorfkirchen zum Vergleich heranziehen, um sich das vorstellen zu können. In dem Papier heißt es, dass in einer übereinkunft mit dem Greben, den Kirchenprovisoren (Kirchenvorstehern), Gemeindevorstehern und einigen ältesten ein Plan für die „Weiberbänke“ - also die Bänke im Kirchenschiff -  beschlossen worden sei, um künftigen Streit um die Plätze zu vermeiden. Sodann werden 8 Bankreihen mit je 7 Plätzen namentlich den Familien zugewiesen. Eine der Bänke ergab nur 6 Plätze, vermutlich weil mittendrin der o.a. Pfeiler stand. Die Bankbreite muss demnach ungefähr 3,5 Meter betragen haben. Sie wurden von einem seitlich angeordneten Gang von 1 bis 1,5 Meter Breite her betreten. Somit betrug die Gesamtbreite des Kirchenschiffes etwa 4,5 bis 5 Meter. Zusammen mit den Außenmauern ergab sich eine Gebäudebreite von ca. 6 bis 7 Metern, während die Gesamtlänge mit Chorraum etwa 11 bis 12 Meter gemessen haben muss.

Im Dreißigjährigen Krieg wurde das ganze Dorf durch Truppen der Kaiserlichen Armee unter Marschall Piccolomoni, die bei Fritzlar in Stellung gegangen war, niedergebrannt. (Die schwedische Armee unter dem Marschall Banér hatte sich samt Verbündeten um Wildungen herum postiert.) Lediglich die Kirche und ein Haus am Kirchhof war stehen geblieben. Der Tag des Brandes war der 13.August 1640.[3]



[1] Für Verkleinerung oder exakten Nachbau einer zu ersetzenden Kirche gibt es wohl kaum ein Beispiel. - Die Bevölkerung hatte sich seit der Gründung der Kirche in Wellen erheblich vergrößert. Im Jahre 1556 wurden 186 Einwohner genannt.

[2] Die Gründungsurkunde ist in der Festschrift zur 1200-Jahr-Feier von 1987 auf den Seiten 41-42 abgedruckt.

[3] Salbuch Wellen von 1641 im Staatsarchiv Marburg. Siehe hierüber: Ortssippenbuch Wellen, Seite 6-10.